NACHHALTIG UND GÜNSTIG BAUEN: Geht das überhaupt?
Hamburg, 16. Mai 2024. Die Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft e. V. (HBAW) lud am 16. Mai 2023 zur achten Podiumsdiskussion ein. Das Thema über das Experten in diesem Jahr debattierten, lautete: NACHHALTIG UND GÜNSTIG BAUEN: Geht das überhaupt?
Die Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft befindet sich in einem nie da gewesenen Transformationsprozess. Einerseits fordern die Klimaerwärmung und die Ressourcen-knappheit dringend mehr Nachhaltigkeit, neue Technologien und Baumaterialien sowie Begrünung. Das wird die Stadtentwicklung und auch den Bau nachhaltig verändern. Andererseits muss mit Blick auf immer weiter steigende Mieten und Wohnungsknappheit möglichst kostengünstig gebaut werden. Dabei sind neben den reinen Baukosten auch die Betriebs- und Instandhaltungskosten von entscheidender Bedeutung.
Lassen sich diese beiden gegensätzlichen Anforderungen an das Bauen in Überein-stimmung bringen und wenn ja, wie? Dies diskutierten bei der Podiumsdiskussion Politiker mit Experten und dem Plenum.
Michael Seitz, Vorstand der HBAW eröffnete die Veranstaltung im Ausbildungszentrum Bau in Hamburg Steilshoop. Anschließend hielt Dr. Christine Lemaitre, Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) eine Impulsrede zum Thema Nachhaltig Bauen. Unter der Moderation von Mathias Iken, stellvertretender Chef-redakteur des Hamburger Abendblatts, diskutierten die Panelteilnehmer kontrovers und stellten sich anschließend den Fragen der Gäste.
Podiumsteilnehmer waren
– Dr. Christine Lemaitre, Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
–Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg
–Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg
-Lars Rückert, Vorstandsmitglied der Innung Sanitär Heizung Klempner Hamburg (SHK)
–Carsten Joost, Geschäftsführer bei blu Gesellschaft für nachhaltige Immobilien-projekte mbH
Zitate der Teilnehmer der Podiumsdiskussion
Zitat von Michael Seitz, Vorstand und Sprecher der Hamburger Bau- und Ausbauwirtschaft:
„Wir stehen vor einem Paradox: Einerseits haben wir eine extrem hohe Nachfrage nach Wohnraum: Es fehlen schätzungsweise mehr als 800 000 Wohnungen bundesweit. Andererseits werden de facto kaum noch Wohnungen gebaut. Der Grund dafür ist, dass der Anbieter sein Produkt nur noch zu einem Preis herstellen kann, den die Nachfrager – also Käufer oder Mieter – nicht mehr bezahlen können. Der Grund für dieses Paradox liegt nicht nur in höheren Zinsen, sondern auch und vor allem in höheren Baukosten, die nicht zuletzt auch – mindestens scheinbar – in immer höheren Auflagen für Klimaschutz und Nachhaltigkeit ihre Ursache haben. Dieses Paradox aufzulösen, dazu soll unsere heutige Podiumsdiskussion beitragen.“
Zitat von Dr. Christine Lemaitre, Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand, Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – DGNB e.V.
„Als Europas größtes Netzwerk für nachhaltiges Bauen setzen wir uns seit über 16 Jahren für die nachhaltige Transformation des Bau- und Gebäudesektors ein. Über 10.000 Projekte haben seitdem das als Planungs- und Optimierungstool entwickelte DGNB Zertifizierungssystem durchlaufen. Aus dieser Erfahrung heraus können wir mit dem Mythos aufräumen, dass nachhaltiges Bauen per se teurer ist. Bereits in der Bauphase gibt es Stellschrauben, mit denen sich Kosten reduzieren lassen. In der Nutzung sind die Betriebskosten deutlich niedriger als bei konventionellen Gebäuden. Zudem sind nachhaltig errichtete Gebäude langlebiger und bieten Investitionssicherheit. Es geht also immer darum, sinnvolle Maßnahmen zu ergreifen und den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes zu betrachten.“
Zitat von Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Fraktion Hamburg:
„Die Schaffung von ausreichend bezahlbarem Wohnraum ist die soziale Frage unserer Zeit. Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass immer höhere Baustandards dazu führen könnten, unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Vielmehr müssen wir Standards im engen Austausch mit der Baubranche gemeinsam optimieren – gemäß dem Motto optimal statt maximal. Denn wir brauchen insgesamt einen bestmöglichen und nachhaltigen Ressourceneinsatz bei den Baustoffen, aber eben auch bei den finanziellen Mitteln. Klar ist für uns dabei auch: Als Staat haben wir die wichtige Aufgabe, eine verlässliche Förderkulisse und Baugrundstücke bereitzustellen, die Bauordnung zu entschlacken, gemeinsam mit der Wirtschaft an die DIN-Normen heranzugehen und für schlanke Genehmigungsverfahren zu sorgen.“
Zitat Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor der Freien und Hansestadt Hamburg:
„Wir sollten die schwierige Zeit nutzen, um über neue Konzepte nachzudenken, die den vermeintlichen Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit helfen aufzu-lösen.“
Zitat Lars Rückert, Vorstandsmitglied der Innung Sanitär Heizung Klempner Hamburg (SHK):
„Nachhaltiges Bauen wird von den SHK-Betrieben durchaus begrüßt. Allerdings muss allen klar sein, dass der Prozess von Anfang an einen Mehraufwand bedeutet – und zwar für alle Beteiligten: Den Bauherrn, den Architekten, den Fachplaner, den Bauleiter und auch für den Handwerker, der das Material verbaut. Auch in einer Zeit, in der die Politik zurecht nach Vereinfachungen sucht, um das Bauen kostengünstiger zu gestalten und mehr Wohnungsbau-Projekte schnell umzusetzen, erscheint einem der Mehraufwand für nachhaltiges Bauen unumgänglich. LowTech in der technischen Ausstattung kann ebenfalls dazu beitragen, Ressourcen zu schonen.“
Zitat Carsten Joost, Geschäftsführer bei blu Gesellschaft für nachhaltige Immobilienprojekte mbH:
„Optimiertes Bauen, egal ob mit Fokus Nachhaltigkeit oder Kosteneffizienz, setzt das effektive Zusammenspiel vieler am Baubeteiligten mit einem gemeinschaftlichen übergeordneten Ziel voraus. Das Silodenken und Selbstoptimieren der einzelnen Akteure muss aufgebrochen werden, um die Synergieeffekte zu schaffen, welche ganzheitliche Betrachtungen und daraus resultierende Lösungsansätze erst möglich machen. Wenn wir über unseren Tellerrand schauen und uns auch für die Probleme des vermeintlich „Anderen“ interessieren, entwickelt sich ein gemeinsames Verständnis für die Aufgabe. Ich denke nur so lassen sich diese komplexen Themen interdisziplinär als Team lösen.“